Vom Mut, Mut zu haben
Leute, ich kann euch sagen, Mut ist echt anstrengend. Für mich jedenfalls. Klar gibt es Menschen, die morgens bereits todesmutig aus dem Bett springen und sich gleich mit Gebrüll den nächsten Bären vorknöpfen – noch vor dem Frühstück! Aber zu denen gehöre ich nicht. Für mich ist es Arbeit, mutig zu sein.
Apropos Arbeit …
Wenn wir schon dabei sind, kann ich auch gleich die Katze aus dem Sack lassen:
Ich habe gekündigt.
2004 habe ich nach langer Suche endlich einen Beruf gefunden, der mich vollkommen erfüllen und bei dem ich obendrein einem meiner Hobbys – dem Lesen – frönen konnte. Das Schreiben geriet ins Hintertreffen, stattdessen wurde ich Buchhändlerin. Was für ein wunderschöner, abwechslungsreicher und magischer Beruf! Ich möchte keine einzige Sekunde missen, kein Buch, das ich berührt habe, keinen Kunden, der mich angelächelt hat.
Ein kleines Ziel nach dem nächsten habe ich in den folgenden neun Jahren erreicht (Ausbildung, Übernahme, Unbefristung, Abteilungsleitung), bis ich endlich sagen konnte:
Okay, mehr geht nicht in diesem Beruf. Zumindest nicht für mich.
Und dann wurde mein Sohn geboren. 2013 war das. Mit ihm wuchs mein Wunsch, mich erneut dem Schreiben zu widmen, und nach dem ersten Buch war der Wille da, das regelmäßig zu tun. Gott, was für ein Gefühl, die eigene Fantasie in Händen halten zu können! Gedruckt!
Nun, leider – oder Gott sei Dank? – hat man nur drei Jahre Elternzeit, und meine laufen im kommenden September ab. Ich musste mich also endlich entscheiden zwischen Buchhandel und Autorendasein.
Das Zögern und Wanken
Wow, was habe ich geheult und mit mir gerungen. Stunden, Tage, Wochen. Mal wollte ich unbedingt zurück in die Buchhandlung, die Freunde dort nicht verlieren, Kunden glücklich machen, am Puls der neuesten Literaturentwicklungen sein. Doch jedes Mal, wenn sich meine Entscheidung in diese Richtung neigte, zerrte am anderen Ende etwas.
“Schreiben ist schon so lange dein Traum”, flüsterte es. “So lange.”
Dann kam die Zeit, in der ich mich fragte, ob nicht beides parallel laufen könnte. Das musste doch irgendwie gehen, dachte ich mir, immerhin schaffen andere das auch.
Das Problem auch hier: Ich bin nicht andere. Ich kann nach acht Stunden Arbeit umgeben von Büchern keine Bücher mehr schreiben. Ich kann es einfach nicht, ich habs versucht.
Und Mitte Juni diesen Jahres schließlich – kurz vor Ablauf der Frist – entschied ich, dass ich etwas wagen muss. Und wenn ich es nicht jetzt tat, würde die Chance vielleicht nie, nie wieder kommen, mir einen weiteren, noch viel größeren Traum zu erfüllen: Autorin sein.
Ganz ohne Einkommen stand ich ja dank der Texterei nicht da, selbst wenn ich die Buchhandlung aufgab. Trotzdem. Trotzdem …
Allen Mut zusammenkratzen
Einen Tag danach habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Job gekündigt. Ich habe in den heutigen, oft wankelmütigen Zeiten den Mut aufgebracht, einen sicheren Hafen zu verlassen und mich ins tosende Meer gestürzt. Mit einem einzigen Schwimmflügel in der Hand.
Und wisst ihr was? Ich hatte eine sch*** Angst! Nein, eigentlich habe ich sie immer noch. Aber vielleicht ist genau das der Antrieb, jeden Tag aufzustehen und zumindest nicht vor dem Bären wegzulaufen, der da nun wartet. Ich stehe da, trinke meinen Kaffee und beobachte ihn, den Bären. Schaue zu, wie er vor mir auf und ab läuft.
Und dann bewerfe ich ihn mit Worten.
11 Antworten
Meine liebe Angela,
Ich gratuliere Dir zu diesem mutigen Schritt und drücke Dir die Daumen, bin aber auch fest davon überzeugt, dass es jedenfalls im Ganzen betrachtet, wunschgemäß läuft. Du hast ja schon viele Schritte dahin gemacht. Ich wünsche Dir, dass Dir die Freude am Schreiben immer erhalten bleibt. Ich freue mich auf weitere Bücher von Dir.
Deine Vero
Liebste Vero!
Ohne Menschen wie dich wäre so etwas gar nicht möglich. Du bist mit mehr Feuereifer bei der Sache, als ich mir wünschen kann, und ich danke dir für jedes einzelne Wort, welches du mir hinterlässt!
Ich hoffe sehr, dass du weiterhin jeden Schritt an meiner Seite bist.
Deine Gela
Toller Beitrag, der sehr ehrlich und offen geschrieben ist. Ich kann deine Ängste und Sorgen total verstehen und finde nicht nur die Schritt, sondern auch dass du das so öffentlich gemacht hast, richtig, richtig mutig.
Wünsche dir für die Zukunft alles Gute und hoffe, dass du bald sagen kannst, dass es für dich der richtige Weg war.
Liebe Grüße,
Melissa
Liebe Melissa! Das ist sehr lieb von dir, vielen Dank! Ich hoffe auch, dass es die richtige Entscheidung war. Momentan fühlt es sich jedenfalls richtig an.
Alles Liebe, Angela 🙂
Liebe Angela, ich weiß, wir haben wenig Kontakt, aber ich habe das hier gelesen und ich freue mich für dich. Es geht vorwärts. Und ich hab ein gutes Gefühl, denn ich glaube fest daran, dass Mut belohnt wird. Alles Gute für Dich!
Liebe Elke!
Stimmt, leider. Manchmal ist es nicht ganz so einfach, über die Distanz immer up to date zu bleiben. Ich freu mich umso mehr, dass du mir diese lieben Worte hinterlässt. Danke!
Ich wünsch dir alles, alles Gute und weiterhin viel Erfolg mit euren Wortstürmern.
Deine Angela
Ich finde den Text unfassbar schön.
Du sprichst mir mehr oder weniger aus der Seele. Ich bin auch eine kleine Angstmupfel. Bis ich den Mut für IRGENDWAS aufgebracht habe, sind 2 Jahre oder mehr vergangen. Es ist schrecklich.
Und den Schritt als Autorin deine Brötchen zu verdienen, finde ich super! Manchmal muss man solche Schritte wagen. Es nicht unversucht lassen, weil man am Ende mit sich selbst zufrieden sein sollte. Träume zum Leben erwecken. Nicht nur das tun, was vielleicht sicherer ist.
Ich wünsche dir alles Gute! ♥
Liebe Grüße
Rebecca
Liebe Rebecca!
Ja, Angst ist tatsächlich der größte Faktor. Obwohl es heutzutage in Deutschland wirklich immer eine Möglichkeit gibt, in den “normalen” Berufsalltag zurückzukehren. Aber Mut gehört immer dazu, egal, um was es geht. Manch einem verlangt ja schon eine kleine Entscheidung Mut ab, andere springen ohne Probleme aus einem Flugzeug oder was auch immer. Die Messlatten liegen da je nach Person unterschiedlich hoch.
Freut mich jedenfalls, dass der Text dich so beschäftigt hat.
Alles Liebe und ganz viel Mut dir!
Angela
Guten Morgen liebe Angela,
während ich deinen Beitrag gelesen habe, habe ich mehrfach eine Gänsehaut bekommen und mich einfach nur wahnsinnig für dich gefreut. Ich weiß, wie schwer es manchmal ist, einen großen Schritt ins Ungewisse zu wagen und kann mir deshalb sehr gut vorstellen, wie viel Kraft es gekostet hat, diesen Mut aufzubringen. Als typischer Krebs, der sich immer nur einen Minischritt vorwagt und dann ganz schnell wieder zwei große Schritte zurück geht, weiß ich da leider, wovon ich rede. Umso schöner ist es jedoch, dass es Menschen wie dich gibt, die all ihren Mut zusammennehmen, alles auf eine Karte setzen und damit Menschen wie mir zeigen, dass man manchmal auch Türen schließen muss, um das Leben zu leben, das einem gefällt. Sei stolz auf dich!
Und merke dir: Die Mutigen belohnt das Leben, liebe Angela, also sei weiterhin so mutig und mach dir das Leben, wie es dir gefällt.
Ganz ganz liebe Grüße
Maike
Liebe Maike!
Was soll ich sagen? Du sprichst mir aus der Seele: Ein Schritt vor, zwei große zurück. Kenne ich leider zu gut, scheint eine Art Lebensmotto – obwohl ich kein Krebs bin. 😀
Aber ja, manchmal MUSS man Müssen, um etwas zu machen. Ohne die Deadline Ende der Elternzeit würde ich das noch weiter vor mir herschieben. Warum? Weil es bequem ist! Die Komfortzone ist kuschelig und weich und voller Kissen. Aber seien wir ehrlich: Die wirklich schönen Schmetterlinge und Vögel und Kätzchen findet man woanders. Und ich habe versucht, mir das Ziel zu setzen, zumindest einmal im Monat zukünftig etwas zu wagen.
Vielleicht hilft dir das ja auch? So eine Deadline. Natürlich muss das Ziel dabei erreichbar sein, sonst desillusioniert man sich nur unnötig.
Ganz lieben Dank für deine wubderschönen Worte und herzliche Grüße
Angela
[…] Selbstständigkeit, und seit gut einem Vierteljahr ist die Sache ernst. Darüber habe ich euch hier schon ein wenig mehr erzählt. Die Quintessenz meines mal wieder ellenlangen Textes: Betrachtet man […]